Lynn erreichte müde den Zeltplatz des Ferienlagers.
Sie war den ganzen Weg über im Geiste ihren Zaubertrick durchgegangen.
'Die Kunst einen weißen Pudel einzufärben, ohne sich eines Tröpfchens
Farbe zu bedienen.' Die Sache musste ja nicht nur 'technisch' reibungslos
über die Bühne gehen, so dass kein Zuschauer bemerkte, dass in Wirklichkeit
zwei Pudel im Spiel waren - ein weißer und ein schwarzer -, sondern es
gehörte ja noch das ganze Drumherum dazu: Gesten, Zauberformeln, das Publikum
unterhalten. Und genau das war der problematische Teil für Lynn.
So sehr sie es liebte, die Geheimnisse der Tricks zu erforschen, so sehr
hasste sie den Vortrag vor einem Publikum. Manche nannten das Lampenfieber.
Der Anblick der Brücke über den Bach weckte die Zauberin aus ihren Gedanken.
Hier, am Fuße der Berge, waren die Wagen mit den Käfigen aufgestellt,
in denen der Zirkus Peperoni seine Tiere transportierte. Hier würde
sie Rudi und Trudi antreffen, eben jene zwei Pudel, mit denen sie in den
vergangenen drei Wochen Freundschaft geschlossen hatte. 'Warum geht das
mit Tieren nur so viel leichter als mit Menschen?', grübelte Lynn.
Sie überquerte die Brücke und nahm gezielt Kurs auf einen der Wagen. Der
Käfig war leer.
Lynn verstand überhaupt nichts. Sie hatte mit ihrer Lehrerin abgesprochen,
dass sie die Hunde während ihres morgendlichen Ausflugs in den Käfigen
lassen würde. Da alle, einschließlich Madame Claire selbst,
am Tag vor der Vorstellung beschäftigt waren, hatte sich keiner gefunden,
um ausreichend auf die Tiere Acht zu gegeben. Und nun waren sie verschwunden,
gerade von hier. Was Lynn besonders beunruhigte, war, dass niemand außer
ihr einen Schlüssel für den Käfig besaß.
Da entdeckte sie eingeklemmt unter einem Wassernapf den entscheidenden
Beweis. Es war eine ausgedruckte Nachricht: "In diesem Zirkus werden Tiere
gequält! Die Haltungsbedingungen sind inakzeptabel. Dies zwang uns zu
handeln. Die befreiten Tiere haben nun ein glücklicheres Zuhause gefunden.
Seien Sie dankbar und freuen Sie sich mit ihnen!"
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