Just als Lynn die Telefonzelle verlassen hatte, hatte
es zu regnen begonnen. Doch sie hatte einfach die Kapuze dichter ins Gesicht
gezogen und war unbeirrt ihrem Ziel entgegengeschritten.
Nun stand sie vor einem Talbacher Studentenwohnheim. Der Adresse der mutmaßlichen
Ganovinnen Schulz und Lipinski. Dem Schild an der Tür entnahm Lynn, dass
die Wohnung, die sich die zwei Frauen mit drei weiteren Studenten teilten,
im 1. Stock liegen musste, und zwar auf der Rückseite des Gebäudes.
Lynn umrundete das Haus und identifizierte die Fenster, von denen sie
glaubte, dass sie zu der Wohngemeinschaft gehörten. Hinter einer halb
aufgestoßenen Scheibe brannte Licht. Ein Durcheinander aus Essensgerüchen
drang heraus.
'Ich hab' auch was zu essen dabei', dachte Lynn und zog eine Schachtel
Hundekuchen hervor. Dann kletterte sie.
Hier machte sich endlich auch das körperliche Training der Zirkusschule
einmal bezahlt, denn es gelang Lynn mit wenigen Zügen entlang der Dachrinne
in Reichweite des Küchenfensters zu kommen.
Sie platzierte einen Hunde-Leckerbissen auf der Fensterbank, duckte sich
und wartete angespannt.
Tatsächlich vernahm sie ein Hecheln.
Als der Hund heran war, streckte Lynn ihre Finger aus und formte das Zeichen
still zu sein, das sie den Pudeln beigebracht hatte.
Trudi erschien! Leise hob sie die Hündin hinaus und glitt an der Dachrinne
herab.
Von drinnen war Lachen zu hören. Scheinbar war das Manöver unbemerkt über
die Bühne gegangen.
Lynn holte nun auch Rudi auf die gleiche Art.
Ein Donner krachte! Die Retterin bemerkte erst jetzt, wie stark es eigentlich
regnete. Sie hatte zwei begossene Pudel auf der Straße - als Beweis ihrer
Tierliebe? Das war unverantwortlich!
Lynn hatte gesehen, dass die Fensterbank der Küche zur Dekoration mit
Decken ausgelegt war. Also kletterte sie noch ein drittes Mal.
Diesmal war ein Gesicht hinter der Scheibe! Eine junge Frau mit buntgefärbten
Haaren.
Lynn zog an den Decken. Dabei übersah sie ein Teelicht, das darauf abgestellt
war. Eine Flamme loderte auf. Lynn rutschte, konnte sich an der glitschigen
Rinne nicht länger halten. Sie raste hinunter und scheuerte sich die Handflächen
auf. Von oben kam ein Schrei: "Juuuliaaa! Waaasser, es breeennt!"
Lynn saß auf dem Boden. Sie tastete nach ihren Knöchel, der schmerzte.
Um sie herum kläfften die beiden Pudel.
Sie blickte sich um. In ihrem Sturz hatte sie zwei der Tischdecken mit
heruntergerissen. Perfekt! Sie wickelte Rudi in die eine, Trudi in die
andere und machte sich unbemerkt aus dem Staub.
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