Akt II  
         
    Zirkusschule    
    Madame Claire    
       

Da tippte jemand von hinten an Elenas Schulter. Erschrocken fuhr sie herum. Rob! Mit dem hatte sie jetzt am wenigsten gerechnet.
"Ich wollte fragen, wo du bleibst. Wir wollten doch üben. Oder hast du hier was Wichtiges am Start?"
"Äh, nein. Ganz und gar nicht." Sie wurde rot. Es gab nicht viele Momente, in denen Elena die Kontrolle verlor. "Es ist nichts. Wir können gleich loslegen, wenn du willst."
Die Akrobatin verdrängte also ihre Gedanken an das Phantom und schlenderte stattdessen mit Rob zum Zelt. Der berichtete unterwegs, dass er große Lust gehabt hatte, für die Nacht in die Stadt zu verschwinden, dass er es sich jedoch anders überlegt hatte. Daraufhin legte Elena einen Arm um Robs Schulter und meinte aufmunternd: "Wir schaffen das! Wir zeigen es ihnen!"
Das Zirkuszelt war nun von Scheinwerfern erleuchtet. Die Streicher der Zirkusband übten an einem langsamen Stück als Untermalung für eine Vorführung. Im wahrsten Sinne des Wortes beflügelt schwang sich Elena an ihrem ersten Tuch hinauf und vollführte ihren Tanz in den Lüften.
Rob drehte einige Runden mit dem Einrad, bis er genug Schwung hatte, die Rampe zur Mauer heraufzufahren. Oben kam er zum Stehen. Er hielt einem Stab in den Händen, der es ihm erleichterte, das Gleichgewicht zu halten.
'Schlau', dachte Elena. Wie es die Choreografie vorsah, ließ sie sich nun hinabgleiten, bis auf Robs Schultern. Er fuhr los. Zu früh! Elena fand keinen Halt. "Stopp! Ich kann nicht..."
Rob rutschte aus. Beide purzelten von dem Einrad, konnten sich aber gerade noch an die Mauer klammern. Rad und Balance-Stab prallten auf den Boden. Die Musik stoppte.
"Shit", fluchte Rob, "das hätte ins Auge gehen können."
"Es liegt an dem Stab", suchte Elena nach einer Erklärung, "Ich kann nicht gerade sitzen, wenn du nicht meine Beine stützt. Ist es denn nötig, dass du das Teil in den Händen hältst?"
"Ich kriege keine Balance sonst, sorry!" Für eine Weile saßen sie ratlos da. Sollte die Arbeit der vergangenen drei Wochen umsonst gewesen sein?
Doch dann hatte Rob eine Idee.

    XX. Das Urteil